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Towards a Grammar of Gesture: Evolution, Brain, and Linguistic
Structures
Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt finanziert von der VolkwagenStiftung
Dieses Projekt zielt auf eine Grammatik der Gesten, die in zentralen
Aspekten neuropsychologisch und evolutionär begründet ist. Eine solche
Grammatik der Gesten hat weitreichende Implikationen für eine ganze Reihe
von Schlüsselthemen in den Geistes- und Naturwissenschaften. Im Rahmen
unseres Projektes werden vier Disziplinen: Linguistik und Semiotik, Neurologie
und Evolutionäre Anthropologie (Primatologie) zu drei Schlüsselthemen
arbeiten: zur Multimodalität von Sprache, zur neuropsychologische Fundierung
von Gesten (als Teil der menschlichen Sprache) und zur Evolution von Sprache.
Neben der Fokussierung auf die spezifischen Schlüsselthemen besteht ein
weiteres Ziel des Projekts darin, eine kohärente und umfassende Darstellung
der strukturellen Eigenschaften von Gesten zu erarbeiten, die ihrerseits weiteren
Forschungen zur Gestik als Referenzpunkt dient. Gestik wird in zunehmendem Maß
in der Neurologie, der Evolutionären Anthropologie, der Forschung zur Künstlichen
Intelligenz, der Kognitiven Psychologie und der Kommunikationsforschung untersucht
leider ohne auf wissenschaftlich fundierte methodologische und gegenstandsbezogene
Grundlagen zurückgreifen zu können. Gesten werden fast durchgängig
als transparentes Fenster zum Geist betrachtet, dessen mediale und
strukturelle Verfasstheit unthematisiert und unreflektiert bleibt. Den Kern
des Projekts bildet deshalb eine linguistische und semiotische Beschreibung
der semantischen und formalen Strukturen menschlicher Gestik sowie ihrer syntaktischen
Integration in den Verlauf der Äußerung. Kurz gefasst: die Erarbeitung
der Grundlagen einer Grammatik der Gesten. Dass Gesten hochgradig strukturierte
Zeichen sind, die darüber hinaus als attributive Konstruktionen syntaktisch
integriert sind, stellt das traditionelle Konzept von Sprache als eines in sich
geschlossen Systems lautlicher Zeichen in Frage und deutet auf eine multimodale
Natur von Sprache. Wenn aber Sprache tatsächlich multimodal ist, so hat
dies Konsequenzen für die Gegenstandsbestimmung in allen Bereichen sprachwissenschaftlicher
Theoriebildung: sei es in der strukturalistisch geprägten Sprachwissenschaft,
sei es im generativen Paradigma, sei es in der kognitiven Grammatik und Semantik.
Mit anderen Worten: wenn Sprache als ein multimodal verfasster Gegenstand angelegt
ist, wenn Sprachstruktur nicht gleichzusetzen ist mit Lautsprachstruktur, dann
steht nicht mehr und nicht weniger als die Bestimmung des Gegenstands der Sprachwissenschaft
zur Disposition. Neuropsychologische Untersuchungen der semantischen und formalen
Strukturen von Gesten, die in der linguistischen und semiotischen Analyse identifiziert
wurden, werden die psychologische und biologische Realität einiger grundlegender
Strukturen überprüfen. In mehreren vergleichenden Untersuchungen zu
Formen gestischer Strukturbildung bei humanen und nicht-humanen Primaten werden
wir der Frage nachgehen, über welche Formen der Strukturbildung nicht-humane
Primaten verfügen. In diesen Studien wird deutlich werden, dass es nicht
nur verschiedene Formen der Strukturbildung gibt, sondern es wird sich auch
zeigen, über welche Aspekte der menschlichen Grammatik der Gesten
bereits unsere Vorfahren verfügten und welche gestischen Strukturen erst
gemeinsam mit der Entwicklung der Lautsprache entstanden. Diese Ergebnisse werden
einen wichtigen Beitrag zu einer hochaktuellen und äußerst kontrovers
diskutierten Frage in der Evolutionären Anthropologie leisten, nämlich
der Frage nach einer Theorie der Evolution von Sprache, die Vorstufen von Sprache
in der Gestik lokalisiert (Arbib 2005a, 2005b), und einer Theorie, nach der
Gestik und Sprache sich von Anbeginn als gemeinsames integriertes System entwickelt
haben (Gallagher et al. 2005).
Literatur
Arbib, M. (2005a). From monkey-like action recognition to human language: An
evolutionary framework for neurolinguistics. In Behavioural and Brain Sciences,
2, 105-124.
Arbib, M. (2005b). The mirror system hypothesis stands but the framework is
much enriched. In Behavioural and Brain Sciences, 2, 149-167 (authors
response).
Gallagher S., D. McNeill, J. Cole & B. Berthental (2005). Gesture-first,
but no gestures? In Behavioural and Brain Sciences, 2, 138-139.